Honshu von West nach Ost

Tag 1 auf Honshu verlief für uns so gar nicht wie geplant. Schon beim Anlegen der Fähre mussten wir sämtliche Regensachen rausholen, weil es in Niigata ordentlich regnete. Nach einer halben Stunde ließ der Regen schon nach, sodass wir mit offenen Jacken einen schönen Radweg am Fluss auf einem Deich aus der Stadt fahren konnten. Nach weiteren 30 Minuten war unser Glück aber auch schon vorbei und es fing wieder an zu regnen. Und zwar so stark, dass wir die Regenjacken bei 25°C wieder anziehen wollten. Bei den Temperaturen stellt sich uns immer die Frage, ob wir lieber durchs Schwitzen in der Jacke oder vom Regen nass werden möchten, aber der Regen war dann doch zu stark. Bei ordentlichem Regen fuhren wir mal durch Reisfelder und mal neben der Trasse des Shinkansen. Dazu konnten wir im Süden und Osten schon die hohen Berge sehen, die wir in der nächsten Woche auf unserem Weg nach Tokio überqueren wollten. Bei trockenem Wetter wäre das sicher eine traumhafte Kulisse gewesen! So entschieden wir uns aber nach 35 km den Tag in der Nähe von Sanjo zu beenden. Seit der Abfahrt von Hokkaido hatte sich die Wettervorhersage soweit verschlechtert, dass wir den ganzen Tag und bis in den Abend rein, den starken Regen gehabt hätten. Später am Abend entschieden wir uns den Rest der geplanten Tagesetappe an die für den nächsten Tag geplante Etappe dranzuhängen und wie geplant am nächsten Abend in Nagano zu sein.

Gesagt, getan und so begann Tag 2 auf Honshu schon recht früh für uns, damit wir für die 160 km ohne Zeitdruck fahren konnten. Denn nach Möglichkeit wollen wir es vermeiden, abends im Dunkeln anzukommen und das bedeutet, dass wir vor 18 Uhr in einem Hotel sein müssen oder um 17 Uhr an einem Campingplatz sein müssen, um genug Zeit für kochen und Zeltaufbau zu haben. Die Strecke führte uns bei bestem Wetter wieder vorbei an Reisfeldern in das Tal des Shinano-Flusses. Auf dem Weg ins Tal kamen wir immerwieder durch kleine Orte und Dörfer und haben dort das „Postkarten“ – Japan entdeckt, wie ich es bezeichne. Häuser und kleine Höfe mit vielen Dächern, geschwungenen Firsten bzw. Dächern und Verzierungen an den Giebeln. Die meisten Häuser waren jedoch einfacher und fast überall gab es kleine und größere Gärten, die bewirtschaftet werden.

Mit etwas Hilfe durch Rückenwind und den frischen Beinen nach dem Pausetag kamen wir so gut durch, dass wir schon am frühen Nachmittag das Tal erreichten, in dem Nagano liegt. Wir gingen davon aus, dass wir die letzten 15 km durch die Vororte und Ausläufer der Stadt mit deren Industriegebieten fahren würden und wurden deshalb umso mehr überrascht, als wir auf einmal durch Apfelplantagen und auch etwas Weinreben fuhren. Das war ein bisschen wie zu Hause und deshalb auf jeden Fall ein Highlight der Etappe.

Trotz seiner Größe wird Nagano in der Region als ruhige Stadt bezeichnet und bietet nur wenige Sehenswürdigkeiten. Die größte davon ist der Zenko-ji-Tempel. Der Tempel ist einer der größten und ältesten in Holzbauweise in Japan und wirklich beeindruckend. Auf dem Gelände stehen einige sehenswerte Gebäude und Neben-Tempelanlagen.

Die recht weit außerhalb gelegene Burg von Nagano haben wir allerdings ausgelassen, weil die lange Tour am Vortag nicht spurenlos an uns vorbeigegangen ist und wir tagsüber recht müde waren. Außerdem hatten wir uns für die nächsten Tage schon wieder einiges vorgenommen und konnten die Erholung gut gebrauchen.

Unser nächstes Ziel war Nikko, das nordwestlich von Tokio liegt und sehr interessante Tempel und Schreine hat. Tempel sind buddhistische Anlagen und Schreine gehören zur Shinto-Religion in Japan. Für die Strecke von ca. 240 km hatten wir drei Tage mit jeweils ca. km geplant.

Unser erstes Zwischenziel war Kusatsu, das unterhalb des Bergs Shirane liegt. Zum Ort und Berg aber gleich mehr, denn um dort hinzukommen, mussten wir erstmal den Shibu-Pass hochfahren. Es gibt auch eine andere Straße mit weniger Höhenmetern nach Kusatsu aber da der Pass auf 2172 m Höhe liegt und dort Japans höchste Nationalstraße ist, wollten uns das nicht entgehen lassen. Allerdings liegt Nagano auf nur ca. 350 m Höhe, sodass wir einiges an Höhenmetern zu bewältigen hatten. Nach knapp 4 Stunden hatten wir es geschafft. Und wir waren nicht die einzigen verrückten Radfahrer mit der Idee, wenn auch die einzigen mit Gepäck. Nach einem kurzen Gespräch und einem gemeinsamen Foto ging es dann in die Abfahrt um den Vulkan. Bilder vom Vulkan konnten wir aber keine machen, da dort sehr viel Dampf aufsteigt und entsprechend dichte „Wolken“ eine Aussicht rund um den Vulkan verhindern und auch die Sicht auf der Straße stark eingeschränkt wird. Mit den Dämpfen treten auch Schwefelgase mit dem typischen Geruch nach faulen Eiern aus. Darin möchte sich niemand allzu lange aufhalten. Je tiefer es ins nächste Tal ging, desto besser wurde die Sicht und desto stärker konnte man die Spuren des letzten Ausbruchs sehen. Große Steine abseits der Straße und immerwieder Öffnungen im Gestein, aus denen Schwefel und Dampf austreten, machten die Umgebung noch beeindruckender.

In Kusatsu profitieren die Onsen von den heißen Quellen und dem schwefelhaltigen Wasser. In der Ortsmitte gibt es einen Platz, auf dem das Wasser in mehreren Holzbecken runterfließt. Der Geruch ist dort einmalig! Da die Stadt für ihre Onsen so bekannt ist, war ein tagesabschließender Onsenbesuch Pflicht. Wir haben uns eins rausgesucht (es gibt 18 Stück in dem Ort), indem es eine Reihe von vier Becken mit aufsteigender Temperatur gibt. Denn die Quellen führen dort teilweise bis zu 90 °C heißes Wasser. Wie heiß das heißeste Becken dort war, wissen wir nicht aber es war so heiß, dass ich nur bis zu den Knien gekommen bin und dann schnell wieder raus bin. Micha hat es einmal ganz rein geschafft.

Unsere zweite Etappe führte uns von Kusatsu nach Fukiware an einen Campingplatz am Fluss entlang der „Japanischen Romantischen Straße“. Vorbild für sie Straße ist die romantische Straße in Deutschland. Wo die ist, mussten wir allerdings auch erstmal nachschlagen, also googeln. Zur Abwechslung durften wir den Tag mit einer langen Abfahrt beginnen und konnten kurz nach Start einen Affen am Straßenrand im Gebüsch sehen. Mit diesem Highlight im Kopf ging es immer weiter ins Tal runter bis nach Nagahano, wo der alte Ort einem Stausee weichen musste. Da die Staumauer begehbar ist haben wir uns die Gelegenheit nicht nehmen lassen, einen Blick in beide Richtungen der Mauer zu werfen. Wann sonst kann man einen fast leeren Stausee sehen. Bevor es dann weiter ins Landesinnere ging, holten wir noch Snacks und Onigiris für unterwegs. Die Strecke war im weiteren Verlauf recht unspektakulär. Die romantische Straße wurde durch Städte und viel Verkehr eher unromantisch und deshalb freuten wir uns umso mehr als wir endlich unseren Campingplatz im kleinen Ort Furiwake am Fluss erreichten und noch Zeit war, mit den Füßen in den kalten Fluss zu gehen. Zum Schwimmen war er zu flach aber nach einem sehr heißen Tag brachte er uns auch schon so die richtige Abkühlung.

Die dritte und letzte Etappe auf dem Weg nach Nikko führte uns als erstes zu nahegelegenen Wasserfällen und war für uns ein sehr schöner Start in den Tag. Das Wort „schön“ habe ich an dem Tag sicherlich 100 x benutzt, weil es aber auch einfach wirklich sehr viele schöne Ecken und Momente auf der Etappe gab. Das zeigte uns nämlich, dass die romantische Straße auch wirklich so schön ist, dass Dichter und Schreiber in der Vergangenheit dort ihre Kreativität fanden. Vom Start am Campingplatz ging es bis zum Konsei-Pass für uns stetig aber gemäßigt berghoch. Über die ersten 5 km standen entlang der Straße immerwieder Verkaufsstände, wo man Obst und Gemüse kaufen kann. Wir haben hauptsächlich Äpfel, Kürbisse, Rettich und Tomaten gesehen aber nichts gekauft, weil es dafür definitiv noch zu früh am Morgen war. Und wir hatten auch keine Lust, die Sachen die nächsten 1300 Höhenmeter mitzunehmen. Entlang eines kleinen Flusses ging es immer weiter den Berg hoch und in den Wald rein. Dabei fuhren wir an zwei Seen vorbei, fuhren einige Höhenmeter in Galerien und freuten uns über das gute Wetter, das nicht mehr so heiß, wie in den vorigen Tagen war. Mit Rückenwind und kühler Waldluft fährt es sich eben doch am besten. Weite Ausblicke waren wegen den Bäumen allerdings kaum möglich. Am höchsten Punkt angekommen, ging es in einen Tunnel und direkt am Ende wurden wir endlich mit einer sehr schönen Aussicht belohnt. Auf dem Weg runter nach Nikko hielten wir noch an zwei Seen, um uns dort jeweils die Wasserfälle anzusehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert